Vernichtungsort Maly Trostinec
Der erste Bericht über den Massenmord und die Hürden der Erinnerung
12. Dezember 2017 | 18:30–20:00 Uhr

Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes
Altes Rathaus, Wipplingerstraße 6-8, 1010 Wien


Programm

Begrüßung: Gerhard Baumgartner (DÖW)
Einleitung: Claudia Kuretsidis-Haider (Forschungsstelle Nachkriegsjustiz)
Winfried Garscha: Wolfgang Sailers Bericht über Maly Trostinec
Andreas Gruber: Einleitende Worte zum Film "Alfred Seiler: Aus dem Paradies zurück in die Hölle"
Filmvorführung
Waltraud Barton: Maly Trostinec – Erinnern und Gedenken in Wien und Minsk

Eines der frühesten Dokumente des DÖW – es trägt die Nummer 00854 – ist ein Bericht über den Transport von Wiener Jüdinnen und Juden am 6. Mai 1942 nach Minsk, den Ausbau der Vernichtungsstätte Maly Trostinec und die Durchführung der Massenmorde. Der acht Seiten lange maschinschriftliche Bericht endet mit dem Einsetzen der letzten Mordaktion am 29. Juni 1944, als "evakuierte" Gefangene aus Minsk in Scheunen in Maly Trostinec gesperrt wurden: "Um 10 Uhr begann das 1. Haus im Dorf Klein Trostenez zu brennen." Die Ankunft der sowjetischen Truppen am 4. Juli 1944 wird in dem Bericht nicht mehr erwähnt.

Bei dem auf brüchiges Papier getippten Bericht handelt es sich um eine Durchschrift. Der Verfasser ist nicht angegeben, doch kommt dafür nur einer der wenigen Deportierten aus Wien in Frage, die Maly Trostinec überlebt haben: Wolf Sailer (Jg. 1895), den die Nationalsozialisten als "Lagerältesten" eingesetzt hatten, weshalb nicht nur er, sondern auch seine Frau Chaje/Klara (Jg. 1896) und ihre beiden Kinder Alfred (Jg. 1926) und Mary (Jg. 1923) weiterleben durften. Gemeinsam mit einigen anderen österreichischen Deportierten gelang den Seilers die Flucht aus dem bereits brennenden Lager. Sie wurden von der Roten Armee aufgegriffen und in das Lager Karaganda (Kasachstan) überstellt. Entweder noch im Gewahrsam des Armeegeheimdienstes ("Smersch") oder in Karaganda dürfte Seiler den Bericht verfasst haben. An das DÖW gelangte er über Friedrich Hexmann, der unmittelbar nach Kriegsende im Auftrag der KPÖ mit sowjetischen Behörden über die Rückkehr von Österreicherinnen und Österreichern verhandelte, die in Lagern interniert waren. Die Familie Seiler kehrte 1946 nach Österreich zurück. In seinem Aufnahmeantrag in den KZ-Verband gab Wolf Seiler als Funktion im Lager "Judenältester" an. Später wanderten die Seilers in die USA aus.

Seilers Sohn Alfred reiste im Herbst 2007 von Florida über Wien nach Minsk. Begleitet wurde er vom Filmregisseur Andreas Gruber. Der dabei entstandene 30-minütige Dokumentarfilm wird bei der Veranstaltung gezeigt.

75 Jahre nach dem Massenmord haben sich alle politischen Parteien in Österreich dazu bekannt, an dem Ort, an dem mehr österreichische Jüdinnen und Juden ermordet wurden als irgendwo sonst während des Holocausts, endlich eine würdige Begräbnisstätte zu errichten. Wird auch das nötige Geld hierfür bereitgestellt werden?


[Eine Veranstaltung des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes in Kooperation mit der Zentralen österreichischen Forschungsstelle Nachkriegsjustiz und dem Verein IM-MER Maly Trostinec erinnern]

Weiterführende Informationen und Dokumente: www.doew.at/erinnern









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